Dienstag, 16. Juni 2009

Patron am Riesen

Der Mont Ventoux und ich waren bisher nicht die besten Freunde. Ich mochte ihn nicht wegen seiner steilen Rampen, er ließ mich seine Antipathie mit der stets vorherrschenden Gluthitze spüren. Doch dieses Jahr sind wir uns näher gekommen. Dass heißt zum größten Teil ist er eingeknickt und hat seine bockige Position verlassen.

Der Riese der Provence hat natürlich wieder alles versucht. Die Hitze flimmerte im Tal bereits über dem Asphalt. Reckte man den Kopf nach links, erhob sich in schier unerreichbarer Ferne der Turm auf dem Gipfel. Schon seit zwei Tagen kreisten meine Gedanken um die erste Kurve. Eine Drehung um 180 Grad nach rechts, gezäumt von einer gewaltigen Leitplanke. Erreicht man den Scheitelpunkt der Kurve, sieht man, was einen die nächsten acht Kilometer erwartet. Erst am Chalet Reynard gönnt der Berg einem eine Pause.
Vor fünf Jahren war die erste Kurve bereits der Anfang vom Ende. Nach wenigen Metern stieg ich ab und leerte eine halbe Trinkflasche. Alles in dem naiven Glauben, unterwegs genügend Wasser zu bekommen und zudem in der Hoffnung, dass nach der nächsten Kurve die Steigung nachlässt. Nichts traf zu. Merde.


Doch fünf lange Rennrad-Jahre später verlor der Ventoux seinen Mythos. Nicht schnell, aber mit lockeren Tritt meisterte ich die ersten steilen Kilometer. Stets etwas ungläubig, rechnete ich jeden Moment mit einem Einbruch. Doch es gab keinen. Mit 25 Sachen schoss ich quasi die letzten Meter auf das Chalet zu. Selbst die defekte Wasserpumpe war mir egal.
Am Chalet wurde es sogar kalt. Der Wind pfiff in Böen über den Kahlen Berg und strich über den nassen Rücken, dass es einen schüttelte. Das kostete zwar Nerven, aber das taten Markus‘ Groupies auch. Eine Gruppe End-Sechziger bestaunte seinen Rahmen. Mittlerweile dürfte der Gute in etwa acht Sprachen wissen, was „schöner Rahmen“ heißt. In mir wächst so langsam der Neid.

Auch die gefürchteten letzten sechs Kilometer liefen entspannt wie nie erträumt. Auf den langen Geraden in Richtung Turm schickte der Ventoux eine Böe nach der anderen hinunter. Doch der Tritt blieb locker. Und die Zieleinfahrt war wie bestellt. Die Dauphine Libere machte am gleichen Tag Station. Die letzten Meter waren mit Gittern abgesperrt, die Masse tobte „Allez courage, allez courage“. Ein Blick zurück, niemand war am Hinterrrad. Ich war der verdammte Patron. Zumindest für diesen einen Tag.

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