Mittwoch, 20. August 2008

Freakshow

Das Ärgste ist geschafft. Über 60 Entscheidungen am zweiten Wochenende lassen einen doch ganz schön müde zurück. Jetzt sind viele Sportarten vorbei oder viele deutsche Mannschaften ausgeschieden und es wird ruhiger. Olympia flaut so langsam ab.

Trotz der Hektik war das Wochenende für mich grandios, denn der Moment als die Tischtennismänner die Japaner im Halbfinale nach 3:30 Stunden besiegt und Silber gewonnen hatten war einfach unbeschreiblich emotional. Da flossen sogar bei Timo Boll die Tränen, was ich für unmöglich gehalten habe. Auch diesen Moment nach dem Matchball zu erleben war unglaublich. Ich finde, dass ich bei der Berufswahl nicht so viel falsch gemacht habe...

Unglaublich war auch der 100-m-Lauf von Usain Bolt, den ich im Stadion auf Höhe der Ziellinie gesehen habe. Da bremst dieser Typ doch wirklich nach 80 Metern ab, schlägt sich auf die Brust und trudelt zum Weltrekord aus. Zudem hatte er noch einen Schuh offen. Der Lauf war einfach überirdisch und hat doch sehr an Ben Johnsons Finale von Seoul erinnert. Eine ziemliche Freakshow.

Die Stimmung hier ist nach wie vor sehr gut, die Zeitungen drucken fleißig, was wir schreiben. Und ich habe nun schon einige von den Freiwilligen getroffen, die nicht wie Roboter wirken, sondern auch mal einen Witz machen und ganz normal aus ihrem Leben erzählen.

Bei den Wettkämpfen an sich herrscht jedoch viel organisierte Freude vor. Das Publikum wird zu bestimmten Schlahctrufen aufgefordert, vieles wirkt ferngesteuert. Faszinierend fand ich den Vorlauf über 110 m Hürden am Montag. 91.000 Menschen waren am Mittag in das Vogelnest gekommen und hatten auf dem Schwarzmarkt horrende Preise für eine Karte gezahlt, um ihren Helden Liu Xiang zu sehen. Der gab jedoch nach drei Meter verletzt auf. Das Stadion war innerhalb von wenigen Minuten fast leer. So ist er halt, der Chinese.

Dienstag, 12. August 2008

Parallelwelt

Die erste von drei Wochen ist geschafft und das Neue stürzt immer noch fast täglich auf einen ein. Peking hat sich rausgeputzt für die Spiele, alles bis zur Perfektion geplant. Zehntausende Freiwillige lächeln einen rund um die Uhr an, Grüßen in den immergleichen Phrasen und lesen einem beinahe jeden Wunsch von den Augen ab. Das Mediendorf gleicht einem komfortablen Hotelkomplex, es gibt Swimming Pool, Fitnessraum und Supermarkt. Jeden Tag wird das Zimmer geputzt und es gibt neue Handtücher. Ob man will oder nicht.

Mit dem wirklichen China hat das natürlich so viel gemein wie Berlin mit dem Pazifik. Dieses echte Peking erlebt man nur bei Taxifahrten quer durch die Stadt, wenn der Fahrer dauerschimpfend die Olympia-Umleitungen bewältigt. Oder auch bei der Fahrt zur Chinesischen Mauer. Wegen der Visa-Beschränkungen während der Spiele trifft man dort neben ausländischen Journalisten und Sportlern lediglich chinesische Touristen.

Oder auch bei der Fahrt zur Universitätssporthalle, dort finden die Tischtenniswettbewerbe statt, sieht man das richtige Peking. Zehntausende von Fahrrädern, junge Leute auf der genau gleichen Hatz in den Hörsaal mit den gleichen verschlafenen Augen wie auch bei den deutschen Studenten. Aus kleinen Wellblechhütten steigen exotische Gerüche in die Nase, doch zum Essen dort fehlt manchmal der Mut. Aber der kommt bestimmt noch. Das Überleben ist ohnehin äußerst günstig, wer für Nahrung mehr als fünf Euro pro Tag ausgibt, hat etwas falsch gemacht.

Der Chinese an sich ist stets distanziert, zurückhaltend und rennt (wirklich) immer mit diesem Lächeln durch die Gegend. Vielleicht schaue ich aber auch nur im flaschen Moment hin. Wenn er jedoch diese Zurückhaltung ablegt, gibt es keine Grenzen. So geschehen bei der Ankunft von Timo Boll. Der ist in China ein Superstar und wurde aus dem Flughafen hinaus von etwa 70 chinesischen Journalisten begleitet. Doch nicht in respektvollem Abstand. Sie zehrten an ihm, redeten irgendwelches Kauderwelsch auf ihn ein, stürzten Übereinander und verursachten damit ein heilloses Chaos.

Soviel zur ersten Woche, ein Update folgt in spätestens sieben Tagen.